Wo eine Lösung, da ein Problem
Bericht aus der Praxis: In einem aktuellen Projekt konnten wir erleben, wie gut unsere Monitoring-Ansätze mit der Lead-User-Methode zusammenwirken. Doch worum handelt es sich genau bei Lead Usern und wie können Unternehmen mit ihnen zu besseren Produkten kommen?
Was haben Botox gegen Falten und Wakeboards gemeinsam? Beides wurde nicht etwa von findigen Unternehmen auf einen konkreten Bedarf hin, sondern von den Nutzern selbst entwickelt. So wurde Botox, das ursprünglich als Medikament gegen Krämpfe entwickelt wurde, von Ärzten zweckendfremdet und die Idee zum Wakeboarden stammt von gelangweilten Surfern, die sich während des Wartens auf die nächste Welle von Booten ziehen ließen.
Solche Nutzer, die eigene Ideen für die Weiterentwicklung bestimmter Produkte entwickeln, werden Lead User genannt. Sie zeichnen sich durch zwei besondere Eigenschaften aus: Zum einen handelt es sich dabei um Nutzer, die ein Produkt überdurchschnittlich intensiv und vielseitig einsetzen, wodurch sie die Grenzen der realisierbaren Einsatzgebiete sowie mögliche Probleme des Produktkonzeptes gut kennen.
Zum anderen haben Lead User die Kompetenz, auftretende Probleme bis zu einem gewissen Punkt selbst zu lösen, beispielsweise durch gewisse Modifikationen oder den zweckentfremdenden Einsatz anderer Lösungen. Sie werden aktiv und geben sich nicht mit den vorhandenen Produktlösungen zufrieden. Lead User finden sich sowohl unter klassischen Konsumenten (wie im Wakeboard-Beispiel), aber auch unter Experten in Bereichen, in denen es für die Produktnutzung einer gewissen Expertise bedarf wie beispielsweise Klinikärzte bei der Exploration neuer Medikamentenanwendungen (wie im Botox-Beispiel).
Für Unternehmen lohnt sich die Beachtung von Lead Usern und deren Lösungen aus zwei Gründen. Einerseits sind deren Lösungen zwar aufgrund ihres DIY-Charakters manchmal schwer auf Neuprodukte zu übertragen, jedoch ist es ja häufig so, dass „normale“ Nutzer ihre Wünsche und Probleme schlecht formulieren bzw. kommunizieren können, wohingegen Lead User dies recht explizit tun, nämlich durch ihre Modifikationen – wo eine Lösung, da ein Problem.
Andererseits können die Nutzer-Ideen konzeptionell gute Ansätze oder, je nach Branche und Anwendungsgebiet, sogar übertragbare Lösungen darstellen. Um solche Lösungen zu finden, sollten sich Unternehmen auf Anwender fokussieren, die ein Produkt für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (Botox) oder eines zeitintensiven Hobbys (Wakeboards) benötigen.
Um Lead User zu finden, eignen sich insbesondere themenspezifische Online-Communities sehr gut – Fach-Foren, in denen gerade jene Nutzer anzutreffen sind, die eine starke Bindung an die jeweilige Produktkategorie aufweisen und in denen oft User Hacks besprochen werden, also jene problemlösenden Modifikationen, die Lead User dort zur Diskussion stellen. Wir bei TIM Consulting nutzen in dieser Phase auch unsere bewährten Monitoring-Ansätze wie beispielsweise die Software „Echobot“.
Um die jeweils adressierten Probleme und die individuellen Lösungen besser zu verstehen, haben Unternehmen die Auswahl aus mehreren Ansätzen, angefangen beim bloßen Recherchieren von Forenbeträgen über das Einstellen konkreter Fragen und das Führen von Interviews bis hin zum Ausrichten von diesbezüglichen Ideenwettbewerben.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Lead User gerne bereit sind, ihre Probleme zu schildern und ihre Lösungsansätze zu präsentieren – wer würde sich nicht freuen, wenn das Unternehmen, dessen Produkte man häufig einsetzt, einen nach seiner Meinung fragt.
Dr. rer. pol. Dipl.-Ing. Ulrich Hutschek
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