
Was ist eigentlich Scrum? Agiles Projektmanagement als Patentlösung?
Ursprünglich wurde Scrum als agiles Vorgehensmodell für das Managen von Software-Projekten entwickelt. Aufgrund seines Erfolgs wird es inzwischen auch in anderen Bereichen eingesetzt. Den Kern dieses Modells bildet der etwa 20 Seiten umfassende „Scrum Guide“. Während Scrum einerseits bestimmte Artefakte (z. B. Product Backlog), Rollen (z. B. Product Owner) und Regeltermine (z. B. Sprint Planning) fest definiert, lässt es an anderer Stelle viel Gestaltungsfreiraum. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von „Best Practices“ (z. B. User Stories als Backlog Items), mit denen sich dieser Freiraum passend zum jeweiligen Projekt füllen lässt.
Der wohl wesentlichste Unterschied zu herkömmlichen linearen Vorgehensmodellen ist, dass Scrum permanente Veränderung als natürlichen Bestandteil des Projekts begreift. Während in linearen Vorgehensmodellen (z. B. Wasserfall) am Anfang ein hoher Aufwand zur Ermittlung der Gesamtanforderungen des Projekts betrieben und deren Realisierung dann in einzelnen Arbeitspaketen geplant wird, entfällt dieser erste Schritt bei Scrum. Vielmehr wird mit einer rudimentären Idee des Gesamtergebnisses gestartet und in einer ersten Iteration eine initiale Version des Projektergebnisses verwirklicht. Diese erste Version wird dann in folgenden Iterationen verfeinert und erweitert.
Durch einen derart iterativen Ansatz können äußere Veränderungen (z. B. neu aufkommende Anforderungen) als auch Erkenntnisse (z. B. unerwartete Probleme in der vorherigen Iteration) besser berücksichtigt werden als in herkömmlichen Vorgehensmodellen, in denen bei jeder Änderung eine Vielzahl detaillierter zukünftiger Arbeitspakete aufwändig überarbeitet werden muss. Zudem sinkt in vielen Fällen das Gesamtrisiko des Projekts, weil sich erste Versionen bereits wirtschaftlich verwerten lassen oder aber auch ein etwaiger Misserfolg früher erkannt wird.
Scrum eignet sich daher insbesondere für risikoreiche Projekte mit einer hohen Komplexität, die entweder durch unbekannte Anforderungen oder Unkenntnis der möglicherweise auftretenden Probleme bedingt ist. Anders als häufig vermutet, führt Scrum jedoch nicht zwangsläufig zu einem erhöhten Umsetzungsvolumen. Auch ist es kein Mittel um bestehende Konflikte zwischen Personen oder Abteilungen zu lösen. Diese werden durch Scrum, das noch wesentlich stärker auf Vertrauen, mündliche Kommunikation und eine gute Unternehmenskultur angewiesen ist als andere Modelle, sogar noch potenziert. Außerdem stellen häufige Mitarbeiterwechsel, Projektanforderungen mit zahlreichen logischen Abhängigkeiten sowie stark ausgeprägte Spezialisierungen innerhalb parallel arbeitender Teams besondere Herausforderungen für agile Modelle dar.
Auch wenn die Popularität agiler Vorgehensmodelle aufgrund der steigenden Komplexität heutiger Projekte mit Sicherheit gerechtfertigt ist, kann im Einzelfall ein herkömmliches Modell dennoch die bessere Wahl sein. Das gilt insbesondere dann, wenn die Gesamtanforderungen zwar kompliziert sind, sich jedoch mittels eines anfänglichen Analyseaufwands verstehen und erfassen lassen.
Bild: iStock.com

Phillip Spielberger
Consultant bei TIM Consulting
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