KI wird immer leistungsfähiger, sind wir bald alle arbeitslos?
Ich war kürzlich zu Gast im NEW WORK TALK Podcast, dort haben wir das Thema KI auf verschiedenen Ebenen andiskutiert. Ein Aspekt war dabei die Gefahr, dass einige Jobs durch KI übernommen werden [1]. Ein guter Anlass, um dazu einige Gedanken zu Papier zu bringen.
In einer Studie von AI Impact wurden Ende 2023 knapp 2800 KI-Experten über ihre Einschätzung zur Entwicklungsgeschwindigkeit von KI befragt und wann voraussichtlich mit einer Übernahme verschiedener Jobs durch KI gerechnet werden kann [2].
Wichtigstes übergeordnetes Ergebnis ist, dass viele Entwicklungsmeilensteile in der aktuellen Umfrage deutlich früher erwartet werden als noch ein Jahr zuvor. So wird es beispielsweise schon 2047 mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine vergleichbare oder höhere Intelligenz als den Mensch geben, ganze 13 Jahre früher als bei der Befragung in 2022 [3].
Die ersten aktuell noch von Menschen durchgeführten Aktivitäten, bei denen eine Substitution durch die KI erwartet wird, sind textbasiert, da hier die größten Stärken der KI liegen: Programmiercode schreiben, faktenbasierte Fragen beantworten, übersetzten Text laut vorlesen etc. Betrachtet man das neue Modell SORA von OpenAI, das Videos aus Text erstellt, sind die nächsten Schritte leicht vorstellbar [4].
Der erste KI-geschriebene New York Times Bestseller wird im Mittel um 2040 erwartet, genau wie der erste KI-generierte Nummer-Eins-Hit. Mit der Möglichkeit zur vollständigen Automatisierung aller menschlichen Arbeit wird jedoch erst nach 2100 gerechnet.
Unter den schwer zu automatisierenden Jobs finden sich viele manuelle Tätigkeiten, die ein Zusammenspiel von KI und Robotik erfordern, wie Wäsche falten, Chirurgie, Elektroinstallation in Häusern oder LKW-Fahren. Erklärt werden kann dies unter anderem mit dem Moravecschen Paradox, das besagt, dass Computer bei hochrangigem Denken wie Intelligenztests oder Schachspielen schnell auf übermenschliche Leistung gebracht werden können, aber niederrangige sensomotorische Fähigkeiten extrem schwer abzubilden sind und enorme Rechenressourcen benötigen.
Auch wenn noch nicht großflächig ganze Jobs von der KI erledigt werden, so kann bereits heute schon an vielen Stellen die eigene Effizienz und Effektivität durch die Nutzung von KI-Helfern gesteigert werden. Eine Analogie dazu findet sich im Schach. Nachdem der amtierende Weltmeister Garri Kasparow von einem von IBM entwickelten Computer geschlagen wurde, gibt es keine Möglichkeit mehr für den besten Schachspieler den besten Computer zu schlagen. Kasparow war danach maßgeblich beteiligt an der Entwicklung der neuen Schachdisziplin Freistil-Schach oder auch Cyborg-Schach, in der die menschlichen Spieler während des Spiels Computeranalysen durchführen können. Ein Team aus Mensch und Computer ist jetzt wieder in der Lage einen Computer, der alleine spielt, zu schlagen [5].
Auch in der Arbeitswelt scheint sich dieser Trend fortzusetzen. IBM prognostiziert, dass Menschen nicht von der KI ersetzt werden, sondern Menschen, die KI gewinnbringend einsetzen, werden Menschen ersetzen, die das nicht tun [6]. Unter diesem Gesichtspunkt scheint es für die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland nicht förderlich zu sein, dass es im IMD World Digital Competitiveness Ranking von 2023 nur auf dem 23. Platz von 64 steht und im Vergleich zum Vorjahr ganze vier Plätze verloren hat.
Digitalkompetenz und KI-Kompetenz sind wichtige Zukunftsfähigkeiten, die in sämtlichen Unternehmensteilen durch die universelle Einsetzbarkeit moderner KI-Systeme eine hohe Relevanz haben. Dabei ist allerdings die weithin diskutierte „Prompting-Kompetenz für jedermann“ meiner Meinung nach nur von begrenztem Nutzen, da echter Mehrwert doch weiterhin durch von Spezialisten entwickelte Systeme erzielt wird. Nichtsdestotrotz sollte jeder ein Grundverständnis von der Funktionsweise und den Möglichkeiten von KI entwickeln, um wirkungsvoll interdisziplinär diskutieren zu können.
Wir entwickeln bereits seit über einem Jahr unsere eigenen KI-basierten Expertensysteme und Dienstleistungen [7]. Die dabei erworbene Expertise setzen wir jetzt verstärkt ein, um, gepaart mit unserem tiefen Verständnis unternehmerischer Prozesse, mögliche Einsatzpotentiale für KI in Unternehmen zu identifizieren. Dazu sensibilisieren wir die Belegschaft unserer Kunden für die Möglichkeiten von KI, damit jeder selbst in seinem Wirkungsbereich nach Potentialen suchen kann, im Sinne eines KVP-Prozesses. Darüber hinaus können wir auch gemeinsam mit unseren Kunden Prozesse analysieren, optimieren und Möglichkeiten für den gewinnbringenden Einsatz von KI-Tools identifizieren und diese in die Tat umsetzen.
Quellen:
[1] https://newworktalk.com/alle-folgen
[2] https://arxiv.org/abs/2401.02843
[3] Es wurden auch Einschätzungen zu einer „Intelligence Explosion“ der KI erfragt, das soll aber Thema eines anderen Newsletters sein.
[6] “AI won’t replace people—but people who use AI will replace people who don’t.” https://www.ibm.com/downloads/cas/NGAWMXAK
Bild: Freepik
M.Sc. Philipp Wichert
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