Warum Transformationsprojekte scheitern
Manchmal hat man das Gefühl, die Notwendigkeit zur andauernden Veränderung würde zu einem guten Teil von der Beratungsindustrie „herbeigeredet“. Man muss ja schließ- lich was zu tun haben. Oder wie sehen Sie das?
Nein, das halte ich für überzogen. Ich denke, dass Veränderung keine Erfindung „cleverer Berater“ sondern etwas ganz natürliches ist. Betrachten wir den Menschen, so stellen wir fest, dass es ihn heute nicht gäbe, wenn er nicht immer wieder Eigenschaften und somit Fähigkeiten ausgebildet hätte, um sich immer wieder veränderten Lebensbedingungen anzupassen. Ähnlich verhält es sich auch im Falle von Unternehmen und Organisationen. Ganz gleich welche Branche man betrachtet stellt man fest, dass die Marktbedingungen sich stetig ändern und Unternehmen immer gefordert sind, ihre Kosten zu hinterfragen, die Qualität ihrer Produkte und Dienstleistungen zu verbessern oder neue Wachstumsfelder zu erschließen. Wer sich dieser Realität nicht stellt, landet bald in der Sackgasse.
Man soll also ständig in Bewegung sein und sich rastlos erneuern? Besteht da nicht die Gefahr, dass man nur noch mit sich selbst beschäftigt ist und der eigentliche Geschäftszweck zur Nebensache gerät?
Wenn von der Notwendigkeit steter Veränderung die Rede ist, darf dies auf keinen Fall mit einem andauernden Aktionismus verwechselt werden. Veränderung sollte niemals ein Selbstzweck sein sondern auf bewusster Erkenntnis und Einsicht beruhen, dass eine Anpassung in einem bestimmten Kontext erforderlich ist. Durch falsch verstandenen und umgesetzten Dauer-Wandel erzeugt man lediglich Überforderung. Verängstigte, frustrierte und ausgebrannte Mitarbeiter und negative Auswirkungen auf die Resultate des Unternehmens folgen unweigerlich. Organisationen bestehen schließlich aus Menschen und diese brauchen für ihre Arbeit einerseits Fixpunkte an denen sie sich orientieren können, andererseits aber auch immer wieder Impulse, um sich auf neue Situationen einzustellen.
Was folgt nun daraus?
Übertragen auf Organisationen und Unternehmen bedeutet dies, dass man zunächst strukturiert analysieren und feststellen sollte, welche Bereiche gegenwärtig in welcher Verfassung sind. Diese strategische Analyse liefert – wie bei einem Checkup beim Arzt – zunächst Werte zur aktuellen Leistungsfähigkeit. Wichtig ist dabei, dass man den aktuellen Zustand der Bereiche – und somit des Unternehmens – jeweils an messbaren Kriterien festmacht. Pauschale Feststellungen wie „Unser Kundenservice ist verbesserungswürdig“ oder „unsere Produktkosten sind zu hoch“ bringen keinen wirklichen Erkenntnisgewinn und bieten somit in Bezug auf eine Transformation keine vernünftige Orientierung. Auch die Angewohnheit, die ich in manchen Unternehmen leider immer wieder erlebe, dass einzelne Bereiche, Abteilungen oder gar Mitarbeiter pauschal zur Ursache für eine unbefriedigende Performance des Unternehmens erklärt werden, ist schlicht töricht. Man sollte sich unbedingt die Mühe machen, den wahren Ursachen einer unbefriedigenden Leistung auf den Grund zu gehen und den Blick nach innen zu schärfen und zwar auf Basis aktueller Prozesse und Abläufe.
Anschließend folgt vermutlich der Blick über den eigenen Tellerrand auf die äußeren Bedingungen, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist?
Ganz genau. Nur mit der Innensicht gelingt kaum ein wirksamer Wandel, der zu einem besseren und nachhaltigen Leistungsniveau führt. Die wichtigsten Umgebungsparameter des Unternehmens müssen unbedingt durchleuchtet und im Kontext des gegenwärtigen Geschäftsmodells bewertet werden. Hierbei können moderne Analyse-Methoden wie beispielsweise das „Business Model Canvas“ eine gute Hilfestellung bieten.
Wie genau geht man dann vor, um die erforderlichen Veränderungen zu bestimmen?
Eine bewährte Methode ist die Erstellung von Soll-Szenarien, welche sich aus der Umgebungsanalyse und der Beurteilung zukünftiger Trends ableiten. Im Vergleich zur Ist-Situation werden damit „Gaps“ ermittelt zu deren Überwindung anschließend diejenigen strategischen und operativen Fähigkeiten identifiziert werden, die angepasst oder neu ausgebildet werden müssen.
Das klingt alles plausibel und auch irgendwie einfach. Fast zu einfach. Warum scheitern denn überhaupt so viele Transformationsprojekte?
Das liegt vor allem daran, dass man für einen erfolgreichen Wandel einen großen Augenmerk auf die Menschen legen und diesen Fokus auch über die gesamte Transformation beibehalten sollte. Schließlich liegt das ultimative Ziel eines Wandels in der Verhaltensänderung von Menschen und dies ist – jeder kann es aus eigener Erfahrung bestätigen – durchaus ein sehr schwieriges Unterfangen. Daher sollte man zunächst damit beginnen, bei den Mitarbeitern ein Gefühl für die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Veränderung zu erzeugen und ihnen zu vermitteln, weshalb ein Wandel überhaupt erforderlich ist.
Und dann klappt es? Oder ist das erst der Anfang?
Damit beginnt der Transformationsprozess. Nach der Gap-Analyse ist dies der erste und sehr wichtige Schritt für eine erfolgreiche Veränderung. Insgesamt lassen sich acht wesentliche Schritte ausmachen, die für eine nachhaltige Veränderung zu beachten und umzusetzen sind. Beispielsweise ist nach der Vermittlung der Notwendigkeit im zweiten Schritt unbedingt eine „Führungskoalition“ aufzubauen. Das bedeutet, eine Gruppe kompetenter und motivierter Mitarbeiter zusammenzubringen, die den Wandel als „Promotoren“ führen können. Dabei ist es angeraten, diese Koalition so zusammenzustellen, dass darin verschiedene Arten von Promotoren vertreten sind, wie beispielsweise Macht- oder, Fachpromotoren oder Beziehungspromotoren. Die Entwicklung und Vermittlung einer Vision und Strategie und deren Kommunikation gehört ebenso zu den Schritten für einen erfolgreichen Wandel wie etwa schnelle Erfolge zu erzielen und diese zur Förderung der Gesamtmotivation gezielt einzusetzen.
Wie bindet man Promotoren effektiv in eine Transformations-Initiative ein? Die wenigsten Unternehmen können es sich wohl leisten, solche fähigen und motivierten Mitarbeiter komplett freizustellen, oder?
Ja, das ist wohl richtig und in der Praxis tritt dieses Dilemma immer wieder zu Tage. Es erfordert tatsächlich große Anstrengungen, das Tagesgeschäft bzw. das Bewährte einerseits und die Anstrengungen zur Erneuerung andererseits unter einen Hut zu bringen. Hier ist es entscheidend, wie die Promotoren wirksam unterstützt werden. Beispielsweise kann ein Projektbüro, einen Großteil der Vorbereitungen übernehmen und so den Promotoren in ihrer Transformationsarbeit zur Seite stehen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Promotoren soweit belastet werden, dass sie weder ihrer eigentlichen Aufgabe noch ihrer Sonder-Mission gerecht werden können.
Wir erleben mit der „Digitalisierung“ oder „Industrie 4.0“ einen grundlegenden und durch die Technologie befeuerten Wandel in der Wirtschaft. Was empfehlen Sie den Unternehmen in dieser Hinsicht?
Ich denke, jedes Unternehmen und jeder Unternehmer sollte sich heute dringend die Frage stellen, was genau sie daran hindert, proaktiv zu sein und Initiativen der Selbstveränderung, gerne in ausgesuchten Pilot-Bereichen, einzuleiten. Die Strategie des Abwartens oder auf unmittelbare Ereignisse oder sichtbare Veränderungen in der Umgebung ausgerichtetes reaktives Verhalten kann fatale Folgen haben.
ENDURAN Management & Consulting GmbH ist eine mittelständische Unternehmens- und Unternehmerberatung mit Sitz in Stuttgart. Ihre Schwerpunkte liegen insbesondere im Projekt-Management zur erfolgreichen Umsetzung wichtiger unternehmerischer Vorhaben und in der Prozess-Innovation. Die Transformation von Unternehmen – vom Business Modell bis zu einzelnen Prozessen – wird dabei mit Gespür für die vielfältigen Herausforderungen im Change-Management wirksam unterstützt.
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Erkan Erkul