
Innovationscontrolling: Verstehen Sie die Auswirkungen von Digitalisierungsmaßnahmen in ihrem Unternehmen?
Stephan Schüle ist Ingenieur im Bereich Advanced Systems Engineering am Fraunhofer Institut in Stuttgart. Er arbeitet als Berater schwerpunktmäßig in den Themenfeldern strategisches F&E- und Technologiemanagement sowie Product-Lifecycle Management
Bereits in den 90er Jahren prägten Kaplan und Norton das Zitat „If you can’t measure it, you can’t manage it” (Kaplan/Norton 1996). Dieser Sachverhalt wurde bis heute nicht aufgelöst und führt zwangsläufig dazu, dass sich Führungskräfte und Projektleiter ein schlankes, aber aussagekräftiges Kennzahlensystem für Ihre Verantwortungsbereiche wünschen. Im Zuge der Digitalisierung von Prozessen muss ein Kennzahlensystem jedoch nicht nur die klassischen Kennzahlen abdecken, sondern eben auch den Deckungsbeitrag und die Amortisation von Digitalisierungsmaßnahmen aufzeigen können.
Handlungsbedarfe aus Sicht der Industrie
Aktuelle Umfragen und Studien zeigen deutlich, wo deutsche Unternehmen eigentlich der Schuh drückt. Es sind die frühen Phasen im Innovationskanal, in denen man sich mehr Klarheit wünscht. Während die Serienentwicklung meist gut durch das operative Controlling abgedeckt ist, kann die Effektivität in den frühen Phasen nur schwer erfasst werden. Insbesondere im Bereich der Produktstrategie fehlt es an Kennzahlen. Interessant ist aber auch der Trend hin zu qualitativen Kennzahlen, ein Trend, welcher aus dem Wandel vom produzierenden Unternehmen zum Dienstleister beziehungsweise Lösungsanbieter resultiert.
Digitalisierung im Innovationsmanagement messen
Direkte Effekte von Digitalisierungsmaßnahmen kann man häufig sehr gut messen. Wird beispielsweise ein papierbasierter Prozess durch einen digitalen Workflow ersetzt, lassen sich klare Aussagen zu Zeiteinsparung und Fehlerreduktion treffen. Damit ist der monetäre Vorteil ableitbar. Auch die Performance digitaler Prozesse lässt sich mit steigendem Reifegrad von Process Mining Ansätzen immer besser erfassen. Das Controlling von Industrie 4.0 Projekten erfolgt mit der I4.0 Balanced Scorecard. Komplex wird es, wenn man die Auswirkungen von Digitalisierungsmaßnahmen über den gesamten Produktlebenszyklus betrachten möchte. Zum Beispiel wird die Frage nach dem tatsächlichen Nutzen eines Digitalen Zwillings momentan heiß diskutiert, wobei speziell in den frühen Phasen des Innovationsmanagements dieser Nutzen nicht klar zu erkennen bzw. mit Kennzahlen zu belegen ist. Hier stoßen die klassischen Kennzahlensysteme an ihre Grenzen, da die indirekten Effekte der Maßnahme stärker ins Gewicht fallen als die direkten Auswirkungen. Ein Lösungsansatz ist zum Beispiel der Aufbau eines Wirkungsnetzes mit hinterlegten Kennzahlen. Im Vordergrund, auch unter der Prämisse eines schlanken Messsystems, steht hierbei dann die Erfassung der wichtigsten Effekte und nicht die Vollständigkeit. Weitere interessante Fragestellungen, die Unternehmen aktuell beschäftigen, sind Einflüsse von Digitalisierungsmaßnahmen auf das Geschäftsmodell und die Auswirkungen zunehmend digitaler Prozesse auf die Zusammenarbeit im Wertschöpfungsnetzwerk – um nur zwei Beispiele zu nennen. Auch hier geht es darum einzelne Digitalisierungsmaßnahmen im Gesamtkontext zu betrachten und somit die Vorteile, die sich aus Einzelmaßnahmen ergeben, beschreiben zu können.
Die angeführten Beispiele zeigen, dass man die Effekte von Digitalisierungsmaßnahmen messen kann. Allerdings müssen die bestehenden Ansätze und Kennzahlensysteme weiterentwickelt und an die jeweiligen Ziele in den Unternehmen angepasst werden. Da der Betrachtungsrahmen fachbereichsübergreifend ist, obliegt die Steuerung eines solchen Systems dem Management.
Stephan Schüle
Ingenieur im Bereich Advanced Systems Engineering am Fraunhofer Institut in Stuttgart
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