Buchrezension: Die Weisheit der Roulette-Kugel
Der Titel Ihres neuen Buches lautet “Innovation-Roulette“. Was genau ist darunter zu verstehen und was sind die wichtigsten Erkenntnisse? Den Begriff “Roulette“ kennt man aus der Glückspielszene, die neben einigen taktischen Entscheidungen zu einem großen Teil von Zufallsereignissen geprägt wird.
Meine Hypothese ist, dass auch der Erfolg von Innovationen – angefangen von der Idee bis hin zur erfolgreichen Etablierung am Markt – von einer großen Portion an Zufälligkeiten geprägt ist. Nur will sich das kaum jemand im betrieblichen Innovationsmanagement eingestehen. Schaut man sich jedoch die Innovationserfolge der letzten hundert Jahre genauer an, stellt man rasch fest, dass bei der Mehrzahl der bedeutenden Erfindungen und Innovationen der Zufall entscheidend beteiligt war. Beispielsweise die Entdeckung der Röntgenstrahlung durch Röntgen oder des Penicillin durch Fleming, oder Aspartam, der Photo-Effekt, genauso wie Viagra oder das Internet. Bei allen waren es zufällige – also nicht geplante und erwartete – Wendungen, die zum Durchbruch führten. Mit Blick auf diesen Befund – aber auch der Evolution, bei der Variation durch Zufall entsteht – verwundert es nun, dass im Rahmen des Innovationsmanagements der größte Teil der Bemühungen in die Verbesserung der Systematik fließt.
Unter der Annahme, ausschließlich rational und logisch begründbar zu entscheiden zu können, verliert sich der Anspruch an das Innovationsmanagement jedoch zur Risikovermeidung, wo eigentlich Mut zur Erkundung des Neuen gefordert wäre.
Es kann gezeigt werden, dass sogenannte Red-Queen und Dornröschen-Effekte die Innovationsfähigkeit von Unternehmen beeinträchtigen. Innovation-Roulette ist insofern der Versuch, durch gezielt eingesetzte Zufallselemente im Innovationsprozess Impulse zu setzen, regelmäßig für Frische zu sorgen – Pionier-Effekte zu erzeugen und das Verlassen der Comfort-Zone anzustoßen.
Wie viel Zufall ist gewünscht und sinnvoll im Innovationsprozess?
Es ist eine Illusion zu glauben, man könnte Innovationen exakt voraus planen und Innovationserfolge genau prognostizieren. Um Neues und Neuartiges zu ermöglichen sind Neugier, Offenheit und Inspiration notwendig.
Diese Eigenschaften werden zwar in der Regel großmundig eingefordert, im durch das operative Verhalten geprägte Tagesgeschäft sind sie jedoch potentielle Störfaktoren. Dieser natürlichen Vermeidungstaktik kann man durch Irritationen (z.B. durch Innovation-Roulette) entgegen wirken. Es soll gar nicht der Eindruck der Beliebigkeit entstehen, Organisationen vertragen nur ein bestimmtes Maß an Irritationen. Wird das überschritten tritt Chaos ein. Wird es unterschritten, sinkt die Innovationsfähigkeit. Jede Organisation sollte sich Möglichkeiten der Irritation überlegen und ausloten, was der richtige Betrag ist.
Welche Vorteile ergeben sich darüber hinaus noch für die Organisation?
Versuche haben gezeigt, dass der Drang nach Erneuerung und Innovation in Gruppen mit unveränderter Zusammensetzung nach spätestens 4 Jahren entscheidend abnimmt. Routinen und der Wunsch nach Effizienz bestimmen die Abläufe in der Organisation. Dagegen sind Irritationen wie Trainingsimpulse, sie halten die Organisation agil. Innovation-Roulette hat darüber hinaus den Vorteil, dass weniger über das WIE diskutiert und in länglichen – politisch geprägten – Entscheidungsrunden Innovationen auf dem Reißbrett entstehen, sondern Abläufe extrem beschleunigt werden und dafür das Lernen im Vordergrund steht.